Nicht alle Jungvögel sind hilfsbedürftig!

Ein Artikel von Christiane Bartal | 27.06.2018 - 15:45

Sobald wir einen offensichtlich jungen Vogel außerhalb des Nestes vorfinden, springt bei uns sofort der Helferinstinkt an. Doch in den meisten Fällen sind die kleinen Piepmätze gar nicht hilfsbedürftig. Die Vogelorganisation BirdLife Österreich empfiehlt daher, Jungvögel möglichst in Ruhe zu lassen.

„Zu allererst ist es wichtig, das Entwicklungsstadium des Vogels zu erkennen“, erklärt Vogelexpertin Eva Karner-Ranner von BirdLife Österreich: „Wir unterscheiden Ästlinge von hilfsbedürftigen Nestlingen.“
 

Ästling: Befiederter Jungvogel außerhalb des Nestes

Was viele Gartenbesitzer nicht wissen: Fast alle Jungvögel verlassen das Nest, bevor sie richtig fliegen können, werden aber außerhalb des Nestes noch zwei bis drei Wochen von den Vogeleltern versorgt.

Frisch ausgeflogene Junge oder Ästlinge sind bereits befiedert, der Schwanz ist jedoch kürzer und die Schnabelwülste dicker als bei einem Altvogel. Meist sitzen sie gut versteckt im Geäst und machen durch laute Bettelrufe auf sich aufmerksam. In dieser wichtigen Entwicklungsphase lernt der Nachwuchs nicht nur Fliegen, sondern alles, was er zum Überleben braucht. Von „verwaisten“ oder gar hilfsbedürftigen Jungvögeln kann also in diesen Fällen nicht die Rede sein.

Eva Karner-Ranner rät: „Im Falle von Ästlingen sollte man wirklich nur dann einschreiten, wenn der Jungvogel tatsächlich verwaist ist, also längere Zeit kein Altvogel zur Versorgung kommt oder er sich in unmittelbarer Gefahr befindet, etwa auf einer Straße sitzend oder durch Katzen bedroht. Sie können den Vogel an einen geschützten, optimalerweise erhöhten Ort in der Nähe setzen, z. B. in ein Gebüsch.“
 

Nestling: Nackter Jungvogel im Nest

Wenn das Junge noch ganz oder größtenteils unbefiedert ist, handelt es sich um einen Nestling, der tatsächlich aus dem Nest gefallen ist.

Nackt, blind und völlig hilflos schlüpfen die Jungen von Nesthockern – alle Singvögel zählen dazu –, aus dem Ei. „Nur die intensive Versorgung durch die Altvögel im Nest gibt ihnen überhaupt eine Überlebenschance“, erklärt die Ornithologin. „Wenn man einen solchen Nestling findet, sollte man zuerst versuchen, ihn ins Nest zurück zu setzen. Erst wenn das nicht möglich ist, kommt eine Handaufzucht in Frage.“

Hierzu ist am besten Rat von einer Auffangstation in Ihrer Umgebung einzuholen. Wertvolle Hinweise zur Pflege und Aufzucht von Jungvögeln finden Sie auch unter www.wildvogelhilfe.org.

Info: www.birdlife.at