Bäume zeigen heuer spektakuläres Massenblühen

Ein Artikel von Naturschutzbund/GARTEN+HAUS | 10.05.2022 - 08:22
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Einige Nadelgehölze, darunter auch die Fichte, blühen eigentlich nur alle paar Jahre, der Zyklus wird nun immer kürzer © sruilk/Shutterstock

Dass Fensterscheiben, Autos und Gartenmöbel im Frühjahr mit einer gelblichen Blütenstaubschicht überzogen sind, ist noch nichts Außergewöhnliches. Für 2022 wird nun ein besonders starkes Baumblühen erwartet, das sämtliche Baumarten betrifft – und zwar europaweit. Sowohl die räumliche Ausbreitung als auch die Tatsache, dass sämtliche heimische Baumarten betroffen sind, ist rekordverdächtig. Das heurige Jahr wird also wieder ein Mastjahr – das sind Jahre, in denen die Bäume zu einer natürlichen synchronen Übervermehrung ansetzen und besonders viele Samen bilden. Eigentlich eine natürliche Strategie, um ihren Fortbestand zu sichern.

Heuer blüht praktisch alles

In Mastjahren blüht vieles im Übermaß, heuer jedoch nicht nur eine Baumart, sondern nahezu alle heimischen. Eigentlich sollten die Waldbäume nur in mehrjährigen Abständen zum Massenblühen ansetzen: Apfelbäume alle zwei Jahre, andere in 4-Jahres-Abständen, die meisten aber in 6 bis 12 Jahreszyklen wie beispielsweise die Eichen. Betrachtet man die vergangenen 5 Jahre in Mitteleuropa, so waren es für zumindest einige Baumarten Mastjahre – eine Häufung, die vor dem Klimawandel kaum in dieser Ausprägung zu beobachten war.

Bäume, die bereits vor Tagen erblühten (wie die Ahorne, Ulmen, Weiden und Zitterpappeln) und viele der Sträucher wie Haseln, Schlehen und Traubenkirschen tragen eine enorme Blütenfülle. An einem einzigen Feldahorn wurde eine Viertelmillion Blüten gezählt, an einer Fichte 150.000 männliche Blütenstände, Abertausende an Buchen und Eichen – mitunter sind es mehr Blüten als Blätter!

Mastjahre in Serie

„In der traditionellen Forstwirtschaftslehre wurde als Richtzahl bisher jedes siebente Jahr als durchschnittliches Mastjahr eingeschätzt, von anderer Seite – unter Hinweis auf Sonnenfleckenzyklen – jedes elfte Jahr. In manchen Regionen war es bis vor Jahrzehnten jedes vierte Jahr“, so der steirische Naturschutzbund-Präsident Johannes Gepp. Solche unterschiedlichen Beobachtungen und regional geprägte Meinungen zeugen auch von regional unterschiedlichen Bedingungen wie Spätfröste, Trockenperioden, etc. Spätestens seit der Jahrtausendwende sind diese Regionalisierung der Forstregeln zu vernachlässigen.

„Das Phänomen des massenhaften Blühens unserer Bäume erstreckt sich gleichermaßen über ganz Mitteleuropa, zumindest über den gesamten Ostalpenraum und alle Vorländer“, so Gepp. „Dieses bereits jahrelang anhaltende „Stressblühen“ und das darauffolgende Massenfruchten unserer Bäume ist eine direkte Reaktion auf den Klimawandel.“

Was steckt dahinter?

Einerseits versuchen die Bäume in Mastjahren mehr Samen und damit mehr Nachkommen freizusetzen, als von Rehen, Schweinen, Raupen, Käfern etc. gefressen werden können. Nach Mastjahren vermehren sich diese „Gegenspieler“ aber ebenfalls massenhaft. Wenn im Jahr darauf erneut ein Mastjahr folgt, vervielfachen sich auch jene Arten, die Samen, Früchte und Jungbäumchen dezimieren, enorm. Wildschweine fressen sich mit Eicheln an, Mäuse lagern Bucheckern für den Winter ein, Häher vergraben die Samen der Zirben – und allesamt vermehren sich übermäßig.

Dem gegenüber würden die Nicht-Mastjahre eine Reduktion der natürlichen Feinde bewirken. Laut Gepp könnte es auch sein, dass bestimmte Großwettersituationen v. a. über dem Atlantik in späterer Folge Mastjahre in Europa bewirken. Überblickt man aber die vergangenen Jahrzehnte, so korrelieren die Mastjahre ganz offensichtlich mit dem Klimawandel, mit den zunehmenden Temperaturen. Möglicherweise sind auch Trockenperioden entscheidend, da nach dem Absterben mancher Bäume ein Nachbesatz für die Natur die geeignetste Antwort wäre. „Mastjahre geben der natürlichen Waldentwicklung Chancen: In den vergangen 5 Jahren haben mehrere Mastjahre Unmengen an Samen erbracht, die milliardenfach in unseren Wäldern zu Jungbäumchen heranwachsen“, so Gepp.