Es war Ende der 80er, ich war noch Schüler, als ich beim Restpflanzenverkauf im Alpengarten Belvedere einen Herrn kennenlernte, der mir von seinen Tränenbäumen erzählte. Ich bat mir eine Knolle aus, bekam den Namen Amorphophallus rivieri dazu und war von der Pflanze von Anfang an fasziniert. Es dauerte einige Jahre, bis er erstmals zur Blüte kam.
Tränenbäume wachsen aus einer recht großen, gut 20 (in den Tropen 30) cm Durchmesser erreichenden Knolle. Jedes Jahr treibt diese nur ein einziges Laubblatt. Der Blattstiel wird bei uns bis zu einem, in den Tropen gar anderthalb Meter hoch und dementsprechend kräftig. Er ist grün mit braunschwarzen Flecken, die Flechten imitieren und Pflanzenfressern so einen holzigen Stamm vortäuschen. Das Blatt ist handförmig geteilt, wobei jede Fieder wieder stark unregelmäßig gelappt bis geteilt ist. Die einzelnen Zipfeln sehen fast aus wie eigene tränenförmige Blätter. Das Blatt sieht also fast aus wie eine Baumkrone. Dazu zeigt die Pflanze bei warmem Wetter und guter Wasserversorgung wie viele Aronstabgewächse starke Guttation (tropfenförmige Wasserabscheidung über das Blatt). Diese Eigentümlichkeiten führten zum bekannten Namen.
Ist die Knolle groß genug, so erscheint vor dem Laubblatt ein Blütenstand. Dieser ist für Araceen typisch aufgebaut: Ein großes Hochblatt (Spatha), in diesem Fall braunviolett und etwa 30 cm lang, umhüllt einen Kolben (Spadix), also einen verdickten Stengel, auf dem die Blüten sitzen. An der Basis des Kolbens sitzen die weiblichen Blüten, dann folgen die männlichen. Der die Spatha überragende Teil des Kolbens ist nackt, braunviolett und stinkt nach Aas. Der Blütenstand hält etwa 2 Tage.
Die Pflege ist gar nicht zu schwierig
Zunächst kultivierte ich die Pflanzen wie Gladiolen: Im Frühling ins Freie gepflanzt, im Herbst in den Keller mit den Knollen. Die Zuwächse waren gering. Irgendwann probierte ich, sie einmal „richtig“ zu kultivieren – im Zimmer, aber damals notgedrungen noch am Nordfenster. Auch da waren die Zuwächse bescheiden.
Aber als Kübelpflanze – im Glashaus vorgetrieben, gut gedüngt, im Herbst im Glashaus nachgereift – legte sie so richtig los. Sie produzierte an kurzen Ausläufern zudem reichlich Tochterknollen. Inzwischen gibt es im niederschlagsärmsten Gebiet Österreichs (westliches Pulkautal – Retzer Land) gelegenen Garten auch eine Bewässerung. Nun führt auch die „Gladiolenmethode“ an einem schlagschattigen Standort zu guten Zuwächsen.
Who is who in dieser Sippschaft?
Mitte der 90er-Jahre erreichte mich die Nachricht von der „Umbenennung“ der Pflanze. Sie heißt jetzt A. konjac. Es dauerte aber noch einige Zeit, bis ich – etwa 10 Jahre nach dem ersten Kontakt mit der Pflanze – herausfand, dass es sich um eine Kulturpflanze handelt.
Der Rivieri-Typ wächst vermutlich in Teilen Südostasiens wild. Als Kulturpflanze wurde er über ganz Südost- und Ostasien verschleppt. Die Knollen der Wildform sind möglicherweise reich an Kalziumoxalat, das nicht nur unbekömmlich, in größeren Mengen sogar giftig ist, sondern bei Aronstabgewächsen meist in Nadelbündeln (Raphidien) kristallisiert vorliegt, die nach schmerzhaftem Eindringen in Schleimhäute zu schweren Schwellungen des Rachenraumes bis hin zum Ersticken führen können.
In Kultur gibt es nun Stämme, die keine Raphidien bilden und oxalatarm sind. Diese Knollen werden wie unsere Kartoffeln verwendet. In Japan gibt es einen weiteren Typ, der statt Stärke ein stark quellendes, für unser Verdauungssystem nicht verwertbares Polysaccarid einlagert, das als Diät-Kohlehydrat Verwendung findet. Dieser nur in Kultur existierende Typ wurde als A. konjac beschrieben. Es war aber bald klar, dass es sich nur um einen Kulturtyp von A. rivieri handelt, und so wurde er wahlweise als Varietät oder Sorte angesehen. Leider muss nun aus formalen Gründen aber A. konjac als Name für die gesamte Art Verwendung finden.
Welcher Sippe der immer wieder als Zimmerpflanze Verwendung findende, hin und wieder sogar im Handel auftauchende Typ entspricht, weiß ich nicht. Von Selbstversuchen ist abzuraten. Es ist anzunehmen, dass die Zuwächse unseres Typs auch bei Folientunnelkultur nicht für eine gewinnbringende Produktion ausreichen. Dennoch wäre es interessant, sicher genießbare Typen zu erhalten.
Einige Sorten werden noch relativ weit nördlich in China oder Japan angebaut, sodass die Existenz bei uns im Anbau lohnender Sorten nicht ausgeschlossen ist. Die wirtschaftliche und touristische Öffnung Chinas schafft Möglichkeiten an nördliche Rivieri-Typen zu kommen. Konjac-Typen aus nördlicheren Gegenden Japans könnten bei uns als Diätkost auch in der Produktion interessant sein. Eine Selektion für unser Klima über Samenvermehrung wird aber von Vorteil sein.
Elephant Yam
Noch eine zweite essbare Art habe ich in Kultur. In einem exotischen Nahrungsmittelimportgeschäft fand ich riesige Knollen mit etwa 30 cm Durchmesser, die denen des Tränenbaumes glichen. Ich kaufte zwei Stück, und eines trieb ein halbes Jahr später aus. Ich dachte damals aufgrund der sich gleichenden Laubblätter, es würde sich um einen großen Typ von A. konjac handeln. Da der Austrieb im Hochsommer erfolgte, musste ich die Pflanze aus Platzgründen vorzeitig einziehen lassen. Die Knolle war daher um vieles kleiner – etwa wie ein mittlerer Tränenbaum.
Im nächsten Jahr war der Austrieb deutlich anders. Das Laub zeigt bei mit dem Tränenbaum vergleichbarer Größe deutlich breitere Zipfel. Die Literatur förderte bald den korrekten Namen zu Tage: A. paeoniifolius.
2003 konnte ich wieder 10 Knollen erwerben, von denen mehr als die Hälfte faulte und nicht austrieb. Vier Exemplare wuchsen, die beiden Höchsten erreichten Blattstiellängen von 150 cm und Blattdurchmesser von etwa 1 m. Insgesamt scheint die Art wärmebedürftiger zu sein. Tränenbäume überwintere ich frostfrei, Elephant Yam scheint Temperaturen unter 15 °C nicht zu mögen. Kultiviert wird Elephant Yam in Südostasien und der indopazifischen Inselwelt von Madagaskar bis Australien. Möglicherweise sind alle bekannten Wildvorkommen nur Verwilderungen und die Art eine reine Kultursippe. Die Variabilität der Art führte auch zu vielen Synonymen, etwa A. campanulatus als bekanntestes. Nächste wildlebende Verwandte ist der erst kürzlich beschriebene A. hirsutus aus Sumatra.
Im Unterschied zum Tränenbaum wird der armstarke Blattstiel bis zu 2 m hoch, die Knolle erreicht 30 cm Durchmesser und mehr und ein Gewicht von 20 kg. Der blütenlose obere Teil des Kolbens ist stark knollig verbreitert und oft stark genoppt, sodass er wie eine überdimensionale Morchel aussieht. Die Spatha ist meist heller, zur die Blüten einhüllenden Kanzel hin aufhellend, in der Kanzel aber schwärzlich.
Andere Arten
Im Handel wird gelegentlich A. bulbifer angeboten. Meist handelt es sich aber um falsch bestimmte A. konjak. Echte A. bulbifer bilden Brutknollen am Ende des Blattstieles und in den Verzweigungen der Blattfiedern. Die Spatha ist weißlich bis rosa gefärbt, der Kolben weißlich und nicht stinkend. Die Art ist nicht als Nahrungsmittel geeignet.
Bekannt ist die Titanwurz (A. titanum) aus Sumatra als größte Blume (nicht Blüte!) der Welt. Ihre Spatha erreicht bis 150 cm Durchmesser, der Kolben bis zu 3 m Länge. Die Knolle wird etwa 75 kg schwer, der Blattstielumfang kann 40 cm erreichen, seine Länge drei Meter. A. brooksii soll aber mit über 4 m Kolbenlänge noch größer sein.
Insgesamt beinhaltet die Gattung etwa 170 Arten, die vorwiegend im indopazifischen Raum und Südostasien, aber auch in Afrika vorkommen. Die Gattung ist tropisch – nur wenige Arten erreichen die Subtropen. Viele wären als Zimmerpflanzen von Interesse, nicht nur wegen der Blattformen und manchmal sogar bunten Blätter, sondern manche wegen durchaus interessanten, nicht bei allen Arten stinkenden Blüten. Auch die Fruchtstände, die denen anderer Aronstäbe gleichen, sind interessant – sind doch die Beeren nicht immer nur rot, nein, auch weiß, rosa, leuchtend blau etc. Leider sind sie bisher noch gärtnerische Stiefkinder.
Quelle: GARTEN+HAUS Jänner-Februar 2005, Autor: Gregor Dietrich