Es war im 16. Jahrhundert, als die Entdecker und Eroberer – sogenannte Konquistadoren – Mittel- und Südamerika eroberten und erschlossen. Ihre Aufgabe war es auch, im Auftrag des spanischen Königs Ferdinand die indianische Bevölkerung der spanischen Krone zu unterwerfen, was jedoch mit Widerstand und zahlreichen Kämpfen verbunden war. Als die Jesuiten den Konquistadoren nach deren Siegen nach Südamerika folgten, suchten sie nach einem günstigen Zeichen, als sie zum ersten Mal an Land gingen. Sie fanden es in einer Kletterpflanze an der Küste, die sie „Passionsblume“ nannten, weil sie im Aufbau der Blüte mehrere Symbole für die Passionsgeschichte erkannten:
- Die je fünf Kelch- und Kronblätter (die Blütenblätter) symbolisieren die zehn bei der Kreuzigung anwesenden Apostel.
- Der Strahlenkranz, auch Nebenkrone oder „Korona“ genannt, verkörpert die unzähligen Jünger und der innere Teil die Dornenkrone von Jesus.
- Die fünf Staubbeutel versinnbildlichen die Wundmale Christi.
- Die drei Griffel mit den Narben stellen die Kreuzigungs-Nägel dar.
- Der Fruchtknoten symbolisiert je nach Auslegung 1. den mit Essig getränkten Schwamm, der Jesus bei der Kreuzigung gereicht wurde, 2. den Hammer, durch den die Wunden entstanden sind, oder 3. den Kelch des Abendmahls.
- Die gedrehten Ranken der Pflanze erinnern an die Geißel, mit der der Erlöser geschlagen wurde.
- Die Blätter mit fünf Lappen allegorisieren die Hände Jesu und die Blätter mit drei Lappen die heilige Dreifaltigkeit.
Die ungelappten Blätter symbolisieren die Lanzenspitze, mit der Jesus verletzt wurde. Als die Jesuiten die Ureinwohner vorfanden, wie sie die pflaumenförmigen gelben Früchte verzehrten, schien das ein Zeichen dafür zu sein, dass die Indianer nach dem Christentum dürsteten und dass dies die Religion der Neuen Welt werden sollte. Eine Erkenntnis, die deshalb Tausenden, die Widerstand leisteten, das Leben kostete. So berichtet zumindest die Legende.
Irreführung für Botaniker
Die Gattung Passiflora zählt rund 500 Arten, von denen die meisten aus tropischen und warm gemäßigten Gebieten Amerikas, einige andere aus Asien und Australien stammen. Wegen der Schönheit und Vielfältigkeit der Blüten wurde sie von Botanikern des 18. und 19. Jh.s bevorzugt gesammelt, was zur weiten Verbreitung der Pflanze beitrug. Die Blätter sind bei den einzelnen Arten verschieden, manchmal sind sie einfach, häufig handförmig geteilt und manchmal zweiteilig mit langen, spitzen, schwalbenschwanzartigen Lappen. Die Blüten kommen einzeln oder in doldigen Blütenständen vor, sind meistens flach und stehen auf kurzen Blütenstielen, obwohl es auch Arten mit langen, röhrigen Kelchen gibt. Diese sind manchmal so lang, dass die Blüten aufgrund ihres eigenen Gewichts schlaff herabhängen. Ihr unterschiedliches Aussehen verführte die Botaniker einst dazu, sie einer anderen Gattung zuzuordnen als Tacsonia.
Grenadille und Maracuja
Wer Passionsblumen hierzulande zieht, darf nicht mit Früchten rechnen. Passende Bestäuber gibt es bei uns nicht, obwohl Honigbienen eifrige Blütenbesucher sind. Allerdings sammeln sie den Nektar am Blütengrund ohne den Pollen weiter oben. So ist es mehr dem Zufall überlassen, wenn dieser auch auf die drei dunklen Narben darüber gelangt. Die bekannten essbaren Passionsfrüchte oder Maracujas wachsen an der eher unscheinbar blühenden Passiflora edulis, von der es zwei Formen gibt: 'Forma edulis' liefert braunviolettfarbene Früchte (hühnereigroß) und 'Forma flavicarpa' gelbe (gänseeigroß), die weniger schmackhaft sind. Nur wenige Sorten sind selbstfruchtbar, sodass man mit einer einzigen Pflanze Aussicht auf eine kleine Ernte hat. Zur Sicherheit nimmt man einen kleinen Pinsel zur Bestäubung.
Die Widerstandsfähigste aller Passionsblumen-Arten, die in kühl gemäßigten Ländern vom Südosten der Vereinigten Staaten bis hinauf nach New Jersey wächst, ist die Fleischfarbige Passionsblume (P. incarnata). Sie wird als einzige Art zur Herstellung medizinischer Präparate verwendet, ist bedingt kälteresistent und kann in milderen Regionen Europas überwintern. An ihren bis zu 5 m langen Ranken bilden sich von Mai bis September bis zu 8 cm große Blüten mit weißen Kronblättern und violetten Nebenkronblättern. Aus ihnen entwickeln sich ovale orangefarbene Früchte mit vielen Samen und einem saftigen Fruchtfleisch. Weniger winterhart ist 'P. caerulea', die aus Südbrasilien stammt, aber auch in einigen Gebieten der Britischen Inseln im Freien angepflanzt werden kann. Bei uns wird sie vermehrt als Zimmerpflanze angeboten.
'P. quadrangularis' ist eine der essbaren Arten, die unter dem Namen „Grenadille“ bekannt ist. Sie stammt aus dem tropischen Amerika und wird wegen ihrer Früchte v. a. in Australien und im Fernen Osten kultiviert. Die Früchte können bis zu 20 cm lang werden und weisen einen herbsüßen violetten Saft auf. Die Pflanze ist ein starker Kletterer mit rosa oder weißen, 10 bis 13 cm großen Blüten, die eine Korona aus mehreren Reihen weißer und purpur gefärbter Fäden aufweist. 'Passiflora x exoniensis', eine aus einer Kreuzung entstandene Kletterpflanze, hat leuchtend rosarote, 10 bis 12 cm große Blüten, Kelchblätter mit scharlachroter Rückseite und eine kleine weiße Korona. Manchmal wird sie unter Tacsonia geführt.
Die Heilkraft der Passionsblume
Passionsblumen haben eine beruhigende, krampflösende sowie blutdrucksenkende Wirkung. Verantwortlich dafür sind Flavonoide, Protocatechusäure, p-Hydroxybenzoesäure, Kaffeesäure und eine geringe Menge an ätherischem Öl. Die Pflanze wird bei Nervosität, Ruhe- und Schlaflosigkeit sowie bei nervösen Magen-Darm-Problemen angewendet. Besonders bei Kindern mit Aufmerksamkeitsproblemen, Ängsten oder depressiver Verstimmung wirkt die Pflanze gut. Auch in der zahnmedizinischen Behandlung von Angstpatienten oder bei Menschen mit Flugangst zeigt die Passionsblume ihre beruhigende und angstlindernde Wirkung. Verwendet werden die oberirdischen Teile, das Passionsblumen-Kraut, das zu Tee, Flüssig- oder Trockenextrakten, Kapseln oder Tabletten weiterverarbeitet wird. Den Effekt der Passionsblume fördern weitere Heilpflanzen, wobei die Inhaltsstoffe der Passionsblume die maßgebliche Wirkung hervorrufen. So enthalten Arzneimittel mit Passionsblumen-Kraut zur Behandlung von nervösen Unruhezuständen zusätzlich Baldrianwurzel, Hopfenzapfen, Johanniskraut und Melissenblätter. Leiden Kinder an nervösen Unruhezuständen, Schlafstörungen, Ängsten oder Magen-Darm-Problemen, helfen Passionsblumen-Tee sowie Kombinationspräparate.
Passionsblumen-Blüten haben es eilig. Innerhalb von 30 Minuten – bei Sonnenschein noch schneller – öffnen sie sich, um sich bereits 24 Stunden später wieder für immer zu schließen. Das ist kurz, bei guter Pflege kommen aber immer wieder neue Blüten nach. Passionsblumen werden v. a. als Zimmerpflanze, noch besser aber als Kübelpflanzen gezogen. Den Sommer über brauchen sie viel Licht und können raus ins Freie. Aufgrund der langen Blattranken eignen sie sich ideal als Sichtschutz auf Balkonen und Terrassen. Die Pflanzen sind nicht anspruchsvoll, was den Boden betrifft. Sie brauchen lediglich gleichmäßig Feuchtigkeit und viel Nährstoffe während der Wachstumszeit. Werfen sie ihre Blütenknospen ab, werden sie zu viel oder zu wenig gegossen. Staunässe vertragen sie nicht. Im Gewächshaus und in der Zimmerkultur empfiehlt es sich, die Wurzeln zu beschneiden bzw. einen engeren Blumentopf zu bevorzugen, da sonst die Pflanzen zu rasch wachsen und mehr Blätter als Blüten treiben. Der Winterstandort sollte hell und kühl sein, damit das Wachstum unterbrochen wird. Temperaturen um 10 bis 15 °C sind ideal. Je wärmer der Winterplatz, desto heller müssen sie stehen. Passend zum Überwinterungsplatz werden die langen Ranken zurück geschnitten. Im März erfolgt dann ein kräftigerer Rückschnitt, damit die Pflanzen mit neuer Kraft austreiben und reich blühen, weil sich die Blüten nur am diesjährig gewachsenen Trieb bilden. Stärker wachsende Exemplare stutzt man generell mehr als schwächer wüchsige. Passionsblumen sind bemerkenswert robust und widerstandsfähig. Und viele sind auch für Neulinge bestens geeignet. Doch wer einmal damit anfängt, der könnte vom „Passions-Fieber“ befallen werden … einer „Leidenschaft“, wie der Name schon verrät.