Baumwolle am Fensterbrett

Ein Artikel von Redaktion/JL | 25.11.2025 - 11:01
shutterstock_2537653945.jpg

Baumwolle ist einer der vielseitigsten Rohstoffe unserer Welt
  © Katie Dragon/Shutterstock.com

Wenn Sie diesen Artikel lesen, halten Sie kurz inne und blicken Sie sich um. Sie werden sicher das eine oder andere Baumwoll-Produkt sehen. Ein Kleidungsstück vielleicht, eine Tischdecke, einen Vorhang, ein Handtuch? Wir können uns ein Leben ohne Baumwolle mittlerweile gar nicht mehr vorstellen. Wir mögen das angenehme Gefühl, wenn Baumwolle unsere Haut berührt, freuen uns, wenn Kleidung aus dem Naturstoff leuchtende Farben trägt und wir diese auch wieder leicht reinigen können, sind dankbar, wenn uns ein steriler Verband nach einer Verletzung schützt. Da die Baumwollfaser fast ausschließlich aus besonders reißfester Zellulose besteht, ist sie nicht nur für die Textilindustrie interessant. Taue und Fischernetze, Planen und Persennings, Banknoten und Kaffeefilter, Verbandsmaterial und Wattestäbchen bestehen ganz oder teilweise aus Baumwollfasern. Aber auch in ­Munition und Sprengstoff kommen sie zum Einsatz. Kein Wunder also, dass die weltweite Anbaufläche mittlerweile fast so groß wie Deutschland ist.

Schafe, die auf Bäumen wachsen

shutterstock_2442127679.jpg

Reifes Baumwollfeld, bereit zur Ernte
  © Jacob Mathers/Shutterstock.com

Unbestritten ist Baumwolle eine der ältesten Kulturpflanzen. Archäologische Funde belegen, dass die Menschen im Indus-Tal bereits vor etwa 5.000 Jahren die Nutzpflanze anbauten. Aber auch in der Neuen Welt, in Peru, sind die ältesten Nachweise von Baumwolle auf ungefähr 2.500 v. Chr. datiert. Nach Südeuropa gelangte Baumwolltuch erst durch Alexander den Großen. In unseren Breiten waren Stoffe aus Baumwolle bis ins späte Mittelalter ein reines Importgut, teuer und exotisch. Den Menschen war nicht klar, wie die Herstellung erfolgte, sie wussten nur, dass die Fasern auf Bäumen wachsen und wie Wolle aussehen – eben „Baumwolle“. Sie stellten sich vor, dass kleine Schafe auf Bäume wachsen würden. 

Obwohl die Baumwollfasern lang und durch ihre Struktur ideal zum Spinnen von Garn sind, war die Produktion von Baumwoll­stoffen über Jahrtausende ein mühsamer Prozess. Die begehrten Fasern sind ein Produkt der Epidermiszellen der Samenschale. Ist die Frucht reif, springt die Kapsel auf und die meist weißen, selten grün oder braun gefärbten Faserbäusche quellen heraus. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs haben die Menschen diese Bäusche ausschließlich per Hand geerntet. Erst seit Mitte des vorigen Jahrhunderts erledigen Baumwollpflückmaschinen die mühselige Arbeit. Trotzdem, in einigen Entwicklungs- und Schwellenländern erfolgt die Ernte heute immer noch händisch. Das Ergebnis ist eine qualitativ hochwertigere Baumwolle, da nur vollreife Samen gepflückt werden. Bei einer automatisierten Ernte ist der Verschmutzungsgrad ungleich höher, denn Baumwolle reift sehr unregelmäßig und dementsprechend erfassen die Maschinen auch unreife Kapseln.

Um die Baumwollfasern weiterverarbeiten zu können, müssen diese zuvor von den ­Samen getrennt werden, eine ebenfalls ­mühselige Tätigkeit. Eine enorme Arbeits­erleichterung schaffte die erst Ende des 18. Jh. von Eli ­Whitney erfundene Entkörnungs­maschine „Cotton Gin“. Mit diesem ­revolutionären Gerät begann der nordamerikanische Baumwollhandel – etwa 200 Jahre nachdem die ­ersten Samen in nordamerikanischen ­Gebieten angepflanzt wurden – zu blühen, dank des Arbeitseinsatzes von Millionen von Sklaven.

Frisch von den Samen getrennt, folgen nach der Reinigung der Fasern die Kardierung (Ausrichtung der losen Fasern), das Spinnen zu einem Garn und das Weben. 1764 ­revolutionierte der von James Hargreaves entwickelte mechanische Webstuhl „Spinning Jenny“ die Baumwollverarbeitung und sorgte im Vereinigten Königreich erstmals für eine kostengünstige Massenproduktion von Baumwolltextilien. Heutzutage sind dank Mechanisierung von Anbau, Ernte und Verarbeitung sämtliche Baumwollgüter Massenware mit nicht unerheblichen ökologischen und gesundheitlichen Konsequenzen.

Wärmeliebende Baumwollpflanze

shutterstock_1549645589.jpg

Baumwollzweige mit Früchten sind ein vielseitiges Deko-Element
  © shyshechka/Shutterstock.com

Ursprünglich war die Baumwolle (Gossypium) im südlichen Afrika oder Indien und Indonesien – hier ist sich die Wissenschaft nicht sicher – und in den nördlichen Anden beheimatet. Gegenwärtig sind die Wildformen in den trockenen Gebieten der Tropen und Subtropen der ganzen Welt verbreitet. Für den industriellen Anbau sind nur 4 Baumwoll-Arten von Bedeutung: Gossypium barbadense liefert die hochwertigste Baumwolle („Sea-Island-Baumwolle“), da sie die längsten Fasern (3 – 4 cm) besitzt. Sie wird hauptsächlich in Ägypten und Peru angebaut. Mittellange Fasern liefert G. hirsutum (Faserlänge: 2 – 3 cm, Anbaugebiet: hauptsächlich die USA). In Asien werden die beiden Arten G. arboreum und G. herbaceum mit 1,8 bis 2,2 cm Faserlänge kultiviert.

Die Baumwollpflanze braucht es sonnig und warm. Frost verträgt sie überhaupt nicht, schon Temperaturen unter 15 °C machen ihr zu schaffen. Trotzdem: Auch in unseren Breiten können Sie den Exoten am Fensterbrett oder in den warmen Sommermonaten an einem sonnigen, geschützten Ort im Garten oder auf der Terrasse kultivieren. In ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet, den Tropen und Subtropen, kann die Pflanze bis zu 3 m hoch werden. Als Zimmerpflanze erreicht sie eine Größe von etwa 60 cm. Eigentlich ist Baumwolle eine ausdauernde Staude, die vorhin genannten Arten werden aber in Kultur einjährig gehalten, um den Ertrag zu steigern. 

So wächst die Baumwolle auch bei Ihnen

Um Baumwolle zuhause zu kultivieren, können Sie entweder Jungpflanzen aus einem gut sortierten Fachhandel erwerben oder Sie säen selbst aus. Da Baumwolle eine lange Vegetationsperiode hat, sollten Sie schon im Jänner / Februar mit der Aussaat beginnen. Stecken Sie die Samen etwa 1 cm tief in einen Topf mit Anzuchterde und stellen Sie diesen an einen etwa 20 bis 22 °C warmen Ort. ­Halten Sie die Erde feucht und schon nach wenigen Tagen wird sich der Keimling zeigen. Ist die Jungpflanze etwa 10 cm groß, ist es Zeit, sie umzutopfen. Baumwolle braucht einen tiefgründigen, gut durchlüfteten Boden. Idealerweise mischen Sie selbst ein Substrat aus 1/3 Lehm und 2/3 Sand. Ab nun gehört der Exot in die Sonne oder zumindest an einen hellen und warmen Standort, wie z. B. an ein lichtdurchflutetes Fensterbrett oder in einen Wintergarten. Eine Temperatur von 30 °C ist optimal. Sorgen Sie für ausreichend Feuchtigkeit, vermeiden Sie aber unbedingt Staunässe. Nach etwa einem Monat sollten Sie alle 2 Wochen die Pflanze mit den richtigen Nährstoffen in Form von organischem Dünger versorgen. Die Blüten erscheinen von Mai bis September. Da Baumwolle zu den Malvengewächsen gehört, ähneln die meist weißen bis zartgelben, bisweilen purpurroten Blüten jenen von Hibiskus-Stauden. In dieser Zeit können Sie die Wasserzufuhr verringern. Etwa 2 Monate nach der Blüte platzen die walnussgroßen Kapseln auf und lassen die weißen Faserbäusche herausquellen. Spätestens jetzt ist die Pflanze ein richtiger Hingucker. Ein getrockneter Zweig mit mehreren aufgesprungenen Früchten erregt auch in einem Blumengesteck Aufmerksamkeit. Überhaupt eignen sich die Faserbäusche in ihren Kapseln als hüsches Deko-Material.