„Keine Blume stößt auf so wenig Vorurteile wie die Rose, keine andere hat mit so vielen Vorurteilen zu kämpfen wie die Dahlie“, schrieb Karl Foerster, einer der bedeutendsten deutschen Gärtner, Staudenzüchter, Garten-Schriftsteller und Garten-Philosoph, bereits vor 100 Jahren. An dieser Einstellung scheint sich bis heute nicht viel geändert zu haben. Andernfalls wäre es nicht erklärbar, warum Dahlien nur in großen Gartenanlagen und bestenfalls in Bauerngärten zu finden sind, im Privatgarten aber zu einer Rarität zählen.
Im Vatikan wiedergefunden
Dabei reicht die Geschichte der Pflanze mehrere Jahrhunderte zurück: In ihrer Heimat wurde die Dahlie schon von den Azteken kultiviert, die sich sogar mit einigen Züchtungen von halbgefüllten Hybriden der „Acocotli“, wie sie die Pflanze nannten, auseinandergesetzt haben. Womöglich haben sich die Natur-Arten aber auch gegenseitig bestäubt und ihre Nachkommen zeigten ganz unterschiedliche Blütenformen. Der Name „Acocotli“ kann als „Wasserschlund“ bezeichnet werden, aber auch Namen wie „Cocoxochitl“ oder „Acocoxochitl“ waren üblich, was übersetzt „Wasser-Knollen-Blüte“ heißt. Der spanische Arzt Francisco Hernandez (1515 – 1578) war der erste Europäer, der die Pflanze in einem seiner Werke ausführlich beschrieb. Zwar gab es bereits Abbildungen von Dahlien aus dem Jahr 1552, die früher angefertigt wurden und in einem Buch über die Kräuter der Azteken angeführt waren, dem sogenannten „Badianus-Manuskript“. Es ist über die Jahrhunderte in Vergessenheit geraten und erst 1930 in der Vatikanischen Bibliothek wiedergefunden worden. Hernandez hielt sich von 1570 bis 1577 in Mexiko auf, führt die Dahlie in seinen Abbildungen genauer aus und erforschte sie auch aus heilpflanzlicher Sicht. Seine Aufzeichnungen wurden erst 1651 in Mexiko veröffentlicht.
Dahlie als Futterpflanze
Von Mexiko aus schaffte die Dahlie den Sprung nach Europa erst 1789, knapp 300 Jahre nach der Entdeckung Amerikas. Ihr Werdegang erinnert ein bisschen an jenen des Erdapfels. Vincente Cervantes (1758 – 1829) arbeitete als Superintendent der Botanischen Gärten in Mexico City und schickte Samen nach Madrid an Abbé Cavanilles (1745 – 1804). Cavanilles nannte die daraus gezogene Pflanze 'Dahlia pinnata' zu Ehren von Dr. Andreas Dahl (1751 – 1789), einem Botaniker und Schüler von Linné. Allerdings wurde sie anfangs als Futterpflanze und nicht als Zierpflanze angesehen und als solche nur wenig angebaut. Erst Kaiserin Josephine (1763 – 1814), auch „die Rosenkaiserin“ genannt, deren Gärten in Malmaison nahe Paris weltberühmt waren, entdeckte die Schönheit der Pflanze. Die Zierpflanze war somit anfangs nur kaiserlichen Gärten vorbehalten.
Wieso sie in Deutschland Georginie genannt wird
1803 beschrieb der Direktor des Botanischen Gartens Berlin, K. L. Willendow (1765 – 1812), die Dahlie in Unkenntnis von Cavanilles Arbeit als Georgina – eine Bezeichnung, wodurch die Dahlie manchmal heute noch in Deutschland als „Georgine“ bezeichnet wird. Er wollte damit den deutschen Botaniker und Reisenden J. G. Georgi ehren, aber auch eine mögliche Verwechslung mit einer ähnlich benannten Pflanze vermeiden. Nach dem Grundsatz der Priorität wurde aber nicht Georgina, sondern letztlich Dahlia die gültige botanische Bezeichnung. Heute umfasst die Gattung 18 Arten, die alle in den höheren Regionen Mexikos vorkommen und dort als winterharte Staude wachsen. Sie haben jedoch nur noch botanische und geschichtliche Bedeutung, da für die Gartenkultur durch Kreuzung verschiedener Arten Hybriden entstanden sind, die ihre Eltern stark übertreffen, aber an Winterhärte verloren haben. Unsere Gartenformen bzw. Hybriden zeichnen sich in der Leuchtkraft ihrer Blütenfarben, durch leichtes Kultivieren sowie ihre lange Blühdauer aus und eignen sich sehr gut als Schnittblumen. Sie lassen sich in Art und Größe von Blüte und Pflanze wie Chrysanthemen vergleichen, sodass Züchter auch hier Klassifikationen vorgenommen haben. Die Hauptgruppe sind ungefüllte, anemonenblütige, Mignon-, pfingstrosenblütige Dahlien, Schmuck-Dahlien (sie sind ganz gefüllt und nach Größe der Blüten unterteilt), Pompon-Dahlien (sehr kleine, runde, gefüllte Blüten) und Kaktus-Dahlien mit gedrehten Blütenblättern.
Im Schatten der Wirtschaft
Während in den Tropen die Knollen das ganze Jahr über im Boden bleiben, müssen sie in Gebieten, in denen Frost auftritt, im Herbst aus dem Boden genommen und frostfrei überwintert werden. Im Frühjahr können sie vorgezogen und ab Mitte Mai ins Freiland gesetzt werden. Ansonsten ist die Pflanzung der Knollen bereits im April möglich. Da der Aufwand der Überwinterung für viele Garten besitzer jedoch zu aufwändig ist, lassen viele die Pflanzen den Winter über im Boden und absterben. Im nächsten Frühjahr werden dann einfach neue Pflanzen (und zur Abwechslung neue Sorten) gekauft. Warum die Dahlie nur noch so selten im Handel zu finden ist, wollten wir von einem führenden österreichischen Züchter wissen. Demnach greifen Kunden in der Auspflanzzeit ab April lieber zu Blühware und nicht zu vertrocknet scheinenden Knollen, die erst austreiben müssen. Der Handel streicht sie deshalb zunehmend aus dem Sortiment. Damit scheint sich die Dahlie zu einer regelrechten Liebhaberpflanze zu mausern.