Rätsel um Meisensterben in Deutschland gelöst

Ein Artikel von Christiane Bartal | 13.05.2020 - 18:01
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Besser als solche offenen Futterhäuschen sind geschlossene Futtersilos, sodass die Vögel die Körner nicht verkoten können. Wenn Sie mehrere tote Tiere im Garten entdecken, sofort die Fütterung einstellen! © Kletr/Shutterstock.com

Nach dem durch das Usutu-Virus ausgelöste Amselsterben und dem von Trichomonaden verursachten Grünfinkensterben kam im Frühjahr 2020 die nächste Schreckensmeldung für Vogelfreunde: Auch unsere Meisen müssen gegen eine heimtückische und offenbar hochansteckende Krankheit kämpfen.

Ein Bakterium ist schuld

Im medialen Schatten von Corona häuften sich in mehreren deutschen Bundesländern seit März die Meldungen über kranke und tote Meisen, die auch vielerorts in Gärten aufgefunden wurden. Am 11. März 2020 waren die ersten Fälle aus Rheinland-Pfalz und Hessen bekannt geworden, später folgten Hinweise bis nach Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern. Bis 5. Mai sind beim Naturschutzbund Deutschland (NABU) knapp 18.000 Verdachtsmeldungen zum Blaumeisensterben mit knapp 33.000 betroffenen Vögeln eingegangen. Die Dunkelziffer der infizierten Tiere dürfte jedoch weit höher sein.

Nach anfänglichem Rätselraten steht mittlerweile fest: Das Bakterium Suttonella ornithocola ist verantwortlich für das überregionale Meisensterben. Der für Menschen und Haustiere völlig ungefährliche Erreger wurde erstmals im Jahr 1996 in Großbritannien entdeckt, als er in England und Wales für ein massives Meisensterben sorgte. Seither kommt er in Großbritannien regelmäßig in den Monaten März und April vor, ohne jedoch ein überregionales Massensterben zu verursachen. Erst 2017 wurde das Bakterium erstmals außerhalb von Großbritannien nachgewiesen: in Finnland. In Deutschland fand man den Erreger erstmals im April 2018. Das verbreitete Auftreten der Krankheit in diesem Frühjahr ist jedoch neu.

Mittlerweile werden wieder weniger Verdachtsfälle gemeldet. Experten erwarten, dass die Krankheitswelle im Laufe des Mai abebbt – zumindest für dieses Jahr. Bislang gibt es keine Hinweise darauf, dass die Meisenkrankheit auch in Österreich grassiert.

Wie erkenne ich betroffene Vögel?

Mit Abstand am stärksten von der Krankheit betroffen sind Blaumeisen, aber auch andere kleinere Meisenarten wie Tannen-, Hauben- und Sumpfmeisen können vom Bakterium befallen werden. Kaum nachgewiesen wurde der Erreger bislang bei den größeren Kohlmeisen.

Das Bakterium verursacht bei Vögeln eine Lungenentzündung, die meist rasch (innerhalb weniger Tage) zum Tod führt. Die Tiere fallen zunächst dadurch auf, dass sie kränklich wirken, nicht mehr auf ihre Umwelt reagieren, apathisch und aufgeplustert auf dem Boden sitzen und bei Annäherung nicht mehr den natürlichen Fluchtinstinkt zeigen. Solche unspezifischen Krankheitssymptome können jedoch auch für äußerliche Anzeichen für andere Infektionen sein. Zusätzlich scheint es oft, als hätten die Vögel Atemprobleme. Häufig sind die Augen verklebt und Teile des Kopfgefieders ausgefallen. Die erkrankten Tiere nehmen kein Futter mehr auf.

Eine sichere Diagnose von Suttonella ornithocola ist jedoch nur durch eine Untersuchung der toten Vögel im Labor möglich.

Was tun im Verdachtsfall?

Wenn Sie in Ihrem Garten Vögel mit diesen oder ähnlichen Symptomen oder mehr als ein totes Tier auffinden, sollten Sie die Fütterung sofort einstellen, Futtergeräte und Vogeltränken entfernen und diese mit heißem Wasser gründlich reinigen. Futter- und Wasserstellen sind nämlich der häufigste Übertragungsort für Vogelseuchen, da hier viele Tiere zusammenkommen.

Fassen Sie niemals kranke oder tote Vögel direkt an, sondern benutzen Sie ein umgestülptes Plastiksackerl oder Gummihandschuhe!

Verdachtsfälle in Österreich können Sie bei BirdLife Österreich (office@birdlife.at oder Tel. 01/523 46 51) melden.
Verdachtsfälle in Deutschland bitte beim Naturschutzbund (NABU) melden unter www.nabu.de/meisensterben.