Märchenhafte Pflanzengeschichten

Ein Artikel von Mag. Eva-Maria Mayr | 12.08.2015 - 08:56
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Verhängnisvolle Lust auf Äpfel und Feldsalat
In Rotkäppchen beispielsweise erliegt die Hauptfigur der Anziehungskraft einer Blumenwiese, während der Wolf in aller Ruhe die Großmutter verspeist. Schneewittchen kann dem rotwangigen Apfel nicht widerstehen – mit bekannten Folgen. In der Prinzessin auf der Erbse wird die edle Herkunft der jungen Dame dadurch offenbar, dass ihr die unter zahlreichen Matratzen und Decken liegende Hülsenfrucht blaue Flecken verursacht. Und in Rapunzel verspürt die Mutter während ihrer Schwangerschaft solchen Heißhunger nach Rapunzeln – also nach Feldsalat – dass sie dafür sogar ihr Sorgerecht an eine zwielichtige zauberbegabte Gemüseanbauerin abtritt.

Veilchenmatratze und Rosendecke
Blumig und detailreich geht es im Däumelinchen zu. Hier wird das sehnlichst herbeigewünschte Kind von seiner Mutter in einer Tulpe gefunden – und zwar nicht in irgendeiner, sondern in einer mit roten und gelben Blütenblättern, also offensichtlich einer gezüchteten Sorte. Damit es das winzige Mädchen es auch bequem hat, erhält es eine Walnussschale als Wiege, Veilchenblätter als Matratze und ein Rosenblatt als Deckbett. Kein Wunder, dass es am Ende der Geschichte den König der Blumenelfen heiratet.

Die Blüten der Schneekönigin
Auch im Märchen von der Schneekönigin treten allerlei Blütenschönheiten auf. Die kleine Gerda, die ihren entführten Freund Kay retten will, begegnet auf ihrer Reise zur Schneekönigin unter anderem Hyazinthen, einer Butterblume und einer Pfingstlilie – womit nicht die Pfingstrose gemeint ist, sondern die Dichter-Narzisse (Narcissus poeticus). Immer wieder tritt zudem die Rose auf, sie dient als Mariensymbol und erinnert die Kinder an ihr Zuhause.

Wilde Ramblerrosen und zauberhafte Nieswurz
Etwas zu viel Dünger scheint das Exemplar in Dornröschen abbekommen zu haben. Dort erobert eine erstaunlich wüchsige Ramblerrose das Schloss – vermutlich in Wahrheit von Papa König gepflanzt, um das Töchterchen vor aufdringlichen Prinzen zu schützen. Und in der Geschichte vom Zwerg Nase ist es gleichsam die Rose des Winters, die den Zauberbann bricht und den Zwerg Jakob zurück in einen Jungen verwandelt: Hinter dem „Kräutlein Niesmitlust“ verbirgt sich die auch als Christrose bezeichnete Nieswurz (Helleborus niger).


Quelle: GMH/PRE