Der Anti-Frost-Trick der Zitronenfalter

Ein Artikel von Kristina Kugler/Christiane Bartal | 08.02.2023 - 14:25

Es ist kaum vorstellbar, dass ein fragiler Schmetterling eisiger Kälte, Schnee und Sturm trotzen kann. Das schafft tatsächlich auch nur einer, der Zitronen­falter (Gonepteryx rhamni). Er überwintert nicht wie viele andere Schmetterlinge als Raupe bzw. Puppe oder wie z. B. Tagpfauenauge, C-Falter, Kleiner und Großer Fuchs als Imago in einem geschützten Plätzchen, etwa in hohlen Bäumen, Schuppen, Mauernischen, Kellern und Dachböden. Nein, er krallt sich an einem Zweig, einem Blatt oder einem Grasbüschel fest oder er versteckt sich in einem Efeudickicht oder zwischen trockenem Laub am Boden. Dass er dabei nicht zugrunde geht, ist seinem körper­eigenen Frostschutzmittel zu verdanken.

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Zitronenfalter gehören zu den allerersten aktiven Schmetterlingen im zeitigen Frühjahr. Möglich macht das ihr körpereigener Frostschutz © George Shpikalov/Shutterstock

Glycerin macht's möglich

Bevor der Zitronenfalter in den Winterschlaf fällt, scheidet er einen guten Teil ­seiner Körperflüssigkeit ab und lagert Glycerin, Sorbit sowie verschiedene Eiweiße in seine Zellen ein. Mithilfe dieser Frostschutzmittel können dem Schmetterling selbst –20 °C nichts anhaben.

Ohne diese Stoffe würden sich bei Frost Eiskristalle in den Zellen bilden, die mit ihren Spitzen die Wände durchbohren und das Tier töten würden. So geschützt und mit deutlich reduziertem Stoffwechsel überdauert der Zitronenfalter nun die raueste Zeit des Jahres und wartet auf die ersten wärmenden Sonnenstrahlen. Kitzeln ihn diese in den Augen und auf den Flügeln, erwacht der Schmetterling aus seiner Starre, wärmt sich auf und flattert der nächsten Blüte entgegen. Denn jetzt heißt es fressen, fressen, fressen, um wieder zu Kräften zu kommen – schließlich gilt es, bald an die Fortpflanzung zu denken.

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Nach der Winterstarre sind die Zitronenfalter äußerst hungrig. Besonders dankbar sind sie daher für früh blühende (Zwiebel-)Pflanzen und Gehölze wie Kätzchenweide oder Seidelbast © Erik Agar/Shutterstock

Ein Faulbaum für die Raupen

Winterling, Weidenkätzchen oder Seidelbast … alles, was Nektar zu bieten hat, wird im Frühjahr vom Zitronenfalter angeflogen. Erwachsene Zitronenfalter sind nicht besonders anspruchsvoll, was ihre Nahrungsquelle anbelangt.

Ganz anders sieht es bei den Raupen aus. Nach der Paarung legen die Weibchen, die im Gegensatz zu den leuchtend gelb gefärbten Männchen ein unscheinbares grünlich weißes Schuppenkleid tragen, oft viele Kilometer zurück, um einen Faulbaum (Frangula alnus) oder den Purgier-Kreuzdorn (Rhamnus cathartica) zu finden.

Nur auf diese Pflanzen legt die Zitronenfalter-Dame ihre bis zu 100  Eier ab, aus denen nach etwa 2 Wochen die grünen Raupen schlüpfen. Diese machen sich sogleich über die Blätter her, damit sie sich nach 3 bis 7 Wochen verpuppen können.

Den Sommer verschlafen

Es ist bereits Sommer, wenn die neue Generation Schmetterlinge schlüpft. Die jungen Zitronenfalter suchen nun unterschiedliche Blumen wie z. B. Disteln (Cirsium) oder Igelköpfe (Echinacea) auf, um nahrhaften Nektar aus deren Blüten zu schlürfen.

Aber schon wenige Wochen später sind die leuchtend gelben Gaukler wie vom Erdboden verschluckt. Während wir uns schwitzend durch die Hitze quälen, bevorzugen Zitronenfalter, den Sommer zu verschlafen. Sie ziehen sich in dichtes Gestrüpp zurück und überdauern mit stark reduziertem Stoffwechsel die heißeste und blütenarme Zeit. Erst zu Herbstbeginn flattern sie wieder durch die Lüfte, immer auf der Suche nach Nektar. Jetzt heißt es noch ordentlich Kalorien zu tanken, denn der nächste Winter kommt bestimmt.

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